Mit MINSTED-Methode Molekül-Bewegungen nanometergenau verfolgen

19. März 2024

Forschenden um Stefan Hell vom Göttinger Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und dem Heidelberger MPI für medizinische Forschung ist es mithilfe der MINSTED-Mikroskopie gelungen, die Bewegungen des Motorproteins Kinesin mit raum-zeitlicher Präzision im Nanometer-pro-Millisekunden-Bereich sichtbar zu machen. Damit hat das Team um Hell die MINSTED-Methode auf das hochauflösende Tracking von Molekülbewegungen ausgeweitet.

Es kam einer Revolution in der Lichtmikroskopie gleich. Mit der STED-Mikroskopie hat Hell die Beugungsgrenze des Lichts in der Fluoreszenz-Lichtmikroskopie grundlegend durchbrochen – was bis dahin für unmöglich galt. 2014 erhielt der Physiker dafür den Nobelpreis für Chemie. In seiner ursprünglichen Fassung erreichte die STED-Mikroskopie eine Trennschärfe von bis zu 20 Nanometern (Millionstel Millimeter) und war damit etwa zehn Mal schärfer als alle bis dahin verfügbaren Lichtmikroskope.

2016 konnte Hell mit seinem Team die Auflösung noch einmal um das Zehnfache steigern: Für die sogenannte MINFLUX-Nanoskopie verwendeten sie einen (ähnlich wie bei der STED-Mikroskopie geformten) Donut-Strahl zur Anregung und Lokalisation einzelner Moleküle, und erreichten so erstmals eine Trennschärfe von nur wenigen Nanometern. MINFLUX kann Fluoreszenzmoleküle auf molekularen Skalen sichtbar machen – schärfer geht es nicht.

Mit MINSTED entwickelten Hell und seine Mitarbeitenden 2021 eine weitere hochauflösende Mikroskopie-Methode, die fluoreszenzmarkierte Details mit molekularer Schärfe trennen kann. MINSTED trägt dabei mehr vom ursprünglichen STED-Prinzip in sich als MINFLUX, weil es genau wie beim STED-Mikroskop einen normal fokussierten Strahl zum Anregen von Fluoreszenz und einen donut-förmigen STED-Strahl zur Fluoreszenzunterdrückung benutzt. Das bringt Vorteile. „MINSTED erreicht wie MINFLUX eine molekulare Auflösung, kann aber störendes Hintergrundrauschen besser unterdrücken und liefert damit ein besseres Signal-zu-Hintergrund-Verhältnis“, erklärt Henrik von der Emde, Doktorand in der Abteilung NanoBiophotonik von Stefan Hell am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und einer der Erstautoren der jetzt im Fachjournal Nature Methods erschienen Studie. „Auch kann MINSTED die Position einzelner Moleküle viel schneller finden als Methoden, die eine Kamera verwenden, da MINSTED dazu viel weniger Photonen benötigt.“ Doch bisher war MINFLUX der MINSTED-Methode in einem voraus: Die Bewegung einzelner Proteine detailliert zu verfolgen.

Dass auch MINSTED dieses Potenzial mitbringt, demonstrierten die Göttinger und Heidelberger Wissenschaftler*innen jetzt anhand des kleinen Motorproteins Kinesin. Zusammen mit anderen Motorproteinen transportiert Kinesin in der lebenden Zelle biologische Fracht. Die Forschenden konnten die Schnelligkeit von MINSTED nun erstmals nutzen, um das Kinesin in Aktion zu „filmen“. Sie machten so sichtbar, wie das Motorprotein auf den „Transportstraßen“ der Zelle, den röhrenförmigen Mikrotubuli, entlangwandert. Dabei demonstrierten sie eine ähnliche räumlich-zeitliche Präzision im Nanometer-/Millisekunden-Bereich wie mit MINFLUX, aber ein um eine Größenordnung besseres Signal-zu-Hintergrund-Verhältnis. Das verbesserte Signal-zu-Hintergrund-Verhältnis könnte MINSTED beispielsweise für Proben mit inhärent hohem Hintergrundrauschen geeigneter machen.

„„Das Tracking funktioniert so gut, dass wir sogar seltene Fälle von ‘Spurwechseln’ sehen konnten, in denen das Kinesin auf einem Protofilament, also einer Spur des Mikrotubulus, zur Seite auf ein anderes springt und dort weiterläuft“, sagt der weitere Erstautor Lukas Scheiderer, Postdoktorand in der Abteilung Optische Nanoskopie von Stefan Hell am MPI für medizinische Forschung. Möglich machte dies die Aufzeichnung der Proteinbewegungen mit einer raum-zeitlichen Genauigkeit von bis zu wenigen Nanometern pro Millisekunde. Um auf kleinste Positionsänderungen so schnell zu reagieren, braucht das Mikroskop nur etwa 15-20 Fluoreszenz-Photonen zu detektieren.

„Mit MINSTED und MINFLUX haben wir jetzt zwei sehr leistungsstarke Techniken zur Verfügung, welche die derzeit höchste räumliche und zeitliche Präzision ermöglichen“, so Hell. Bewegungen und Formveränderungen einzelner Proteinmoleküle können so zukünftig ganz anders erforscht werden. Keine Methode sei der anderen generell überlegen. Je nach Anwendung könne die eine oder die andere Mikroskopietechnik ihre Stärken ausspielen. (cr)

(Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für multidisziplinäre Naturwissenschaften)

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